2023/08/28 | Research | Dozierende

Der Blick der Wirtschaftsinformatik auf Chat-GPT

Künstliche Intelligenz und die Anwendung Chat-GPT sind derzeit in aller Munde. Im Rahmen der BWL beschäftigt sich die Wirtschaftsinformatik mit der betrieblichen Anwendung von computerbasierten Informationssystemen. Christian Matt erläutert den gegenwärtigen Hype aus der Perspektive der Wirtschaftsinformatik.

August 2023

Text von  Prof. Dr. Christian Matt und Luisa Mäder

Ist Chat-GPT für die Wirtschaftsinformatik ein Thema?

Die Wirtschaftsinformatik betrachtet innerhalb ihres thematischen Spektrums sowohl die Gestaltung als auch die Nutzung von Anwendungssystemen. Im Kontext von «Generative AI», wie etwa Chat-GPT, beinhaltet dies u.a. die Nutzung durch Mitarbeitende innerhalb von Unternehmen, die Nutzung an der Kundenschnittstelle, aber auch bei Kund:innen selbst.

Foto Prof. Dr. Christian Matt
Prof. Dr. Christian Matt

Hier schauen wir uns an, welche Treiber und Hürden der Nutzung zugrunde liegen, etwa Widerstände seitens der Mitarbeitenden. Weiterhin interessiert uns, welche Effekte durch die Nutzung entstehen, etwa Veränderungen von Arbeitsprozessen. Aus diesen Erkenntnissen versuchen wir, Implikationen für die sinnvolle Gestaltung von Informationssystemen abzuleiten.

Welche Chancen sehen Sie in der Verwendung von Chat-GPT für Unternehmen?

Die Nutzungsmöglichkeiten umfassen ein breites Aufgabenspektrum über diverse Unternehmensbereiche hinweg. Dies ist etwa im Marketing der Fall, z.B. bei der Gestaltung von Werbebotschaften. Im HR sehe ich die Unterstützung z.B. bei Stellenausschreibungen. Im Finanzwesen könnte man z.B. an die Erstellung von Finanzberichten denken. Aus derartigen Nutzungen entstehen Chancen für Unternehmen, etwa in Form von Kostensenkungen durch verstärkte Automatisierung und Entlastung der Mitarbeitenden. Es können jedoch auch gänzlich neue Angebote geschaffen werden, die ohne Chat-GPT nicht möglich wären, etwa wenn es um die Erstellung von kreativen Inhalten in Echtzeit geht.

Welche Vorteile bietet der Einsatz von Chat-GPT im Vergleich zu herkömmlichen Systemen?

Hier stellt sich zunächst die Frage, was man als herkömmliche Systeme betrachtet. Klassische Entscheidungsunterstützungs- und Empfehlungssysteme gibt es bereits seit Jahrzehnten, wenn auch in unterschiedlichen Entwicklungsstufen. In fortgeschrittener Form finden diese mittlerweile Einsatz bei intelligenten Sprachassistenten wie etwa Alexa. Diese Systeme können Nutzende auch bei komplexen Aufgaben unterstützen. Bei Chat-GPT handelt es sich um sogenannte Large Language Models (LLM). Dies sind Deep-Learning-Algorithmen, welche auf sehr grossen Datensätzen aufbauen und daraus Wahrscheinlichkeiten für nachfolgende Wörter ableiten, sodass daraus ein sinnvoller Text entstehen kann. Dies kann für Menschen sogar kreativ erscheinen und wird im Gegensatz zu vielen früheren Systemen eben nicht nur zur Selektion und Aufbereitung bestehender Inhalte genutzt, sondern zur Erstellung von neuen Inhalten.

Symbolbild ChatGPT

Lauern bei der Nutzung von Chat-GPT auch Risiken für Unternehmen?

Sicherlich, und diese sind aktuell noch nicht final abzuschätzen. Zunächst geben Unternehmen hier ein Stück weit die Kontrolle aus der Hand. Dies kann prekär werden, falls das System unerwünschte Antworten erzeugt und diese an die Öffentlichkeit gelangen. Weiterhin sollten mögliche Datenschutzrisiken beachtet werden, besonders bei sensiblen Daten. Aktuell wissen wir aber auch noch zu wenig, welchen Einfluss Chat-GPT und andere Generative-AI Systeme auf Mitarbeitende haben werden, und wie diese deren Kreativität oder kritisches Denken beeinflussen.

Welche Fortschritte erwarten Sie in Zukunft im Bereich der Chat-GPT-Technologie und wie werden sie sich auf die Gesellschaft auswirken?

Es handelt sich hierbei um ein sehr dynamisches Feld, wo wir sicher noch einige Fortschritte sehen werden. Die Entwicklung geht einerseits in Richtung noch grösserer Sprachmodelle, die auch komplexere Anfragen adäquat meistern können. Andererseits werden zunehmend kontextspezifischere Sprachmodelle entwickelt, die in einzelnen Bereichen den breiteren Modellen überlegen sein können. All dies wird sicherlich Auswirkungen auf mögliche Anwendungsfälle und damit verbundene Chancen und Risiken haben.

Wie kann man Chat-GPT im Studium einsetzen und welche Tipps würden Sie Studierenden für die Verwendung von Chat-GPT geben?

Zunächst würde ich einen Blick in die Leitlinien der Uni Bern zur «Verwendung von KI gestützten Hilfsmitteln in der Lehre» empfehlen. Die Uni Bern möchte deren Einsatz nicht generell verbieten, sondern strebt eine sinnvolle Nutzung dieser Technologien an. Dazu gehört, dass Chat-GPT das eigene kritische Denken keinesfalls ersetzt, dieses als Tool aber sehr wohl unterstützen kann. In Bezug auf die Nutzung selbst empfehle ich, sich mit solchen Systemen zunächst vertraut zu machen und mit verschiedenen Suchanfragen herumzuexperimentieren. Beim sogenannten «Prompting» werden generell kurze, prägnante Anfragen empfohlen, die kombiniert werden mit einer entsprechenden Spezifikation der Rahmenparameter, etwa Stil und Umfang der erwünschten Antwort.