08.08.2022 | Forschung | Dozierende

Unwissenheit ist ein Segen - Performanceeffekte von Real Earnings Management

Mitarbeitende in Unternehmen haben Leistungsziele, die sie erfüllen müssen. Mit besonderen Aktivitäten können sie nachhelfen, um diese Leistungsziele zu erreichen. Im Rahmen eines Experiments wird untersucht, wie die Leistungen von Mitarbeitenden durch die Möglichkeit beeinflusst wird, Real Earnings Management (REM) zu betreiben. Zudem wird untersucht, wie sich das Wissen des Managements über die Möglichkeiten zu REM ihrer Mitarbeitenden auswirkt.

August, 2022

Text von Prof. Markus Arnold

Was ist Real Earnings Management überhaupt?

Mit Real Earnings Management (REM) sind Aktivitäten von Mitarbeitenden gemeint, die vom normalen Tagesgeschäft abweichen und die dazu dienen, Performance-Kennzahlen zu eigenen Gunsten zu manipulieren. Damit wollen die Mitarbeitenden die gesetzten Leistungsziele erfüllen. Solche Aktivitäten können beispielsweise ausserordentliche Preisreduktionen an KundInnen sein, um die Verkäufe anzukurbeln. Erfolgen diese Preisreduktionen vor Ende des Bewertungszeitraums, dann können dadurch die gesetzten Umsatzziele der Mitarbeitenden erreicht werden. Die Mitarbeitenden stehen gegenüber dem Management gut da.

Aus der Sicht des Unternehmens ist REM kritisch zu sehen, denn es entstehen dadurch oftmals direkte Kosten. Die angesprochenen Preisreduktionen können beispielsweise dazu führen, dass bei Kundinnen und Kunden die Zahlungsbereitschaft für zukünftige Käufe sinkt. Dies kann die Erträge des Unternehmens langfristig schmälern. Für das Management stellt sich also die Frage, wie es mit REM umgehen soll.

Eine naheliegende Möglichkeit ist, REM durch Mitarbeitende einzuschränken, indem man ihre Handlungsoptionen beschränkt oder kontrolliert. Dabei ergibt sich allerdings ein Problem. Mitarbeitende kennen die von ihnen erbrachten Anstrengungen und Leistungen bestens. Ihre ManagerInnen haben dagegen Schwierigkeiten, die Aktivitäten der Mitarbeitenden genau einzuschätzen. Bei den angesprochenen Rabatten könnte es sich ja durchaus um sinnvolle Angebote handeln, um beispielsweise Kundinnen und Kunden von Wettbewerbern zu gewinnen. ManagerInnen kennen zudem häufig nicht (alle) Möglichkeiten, die Mitarbeitende für REM haben, oder sie unterschätzen diese, weil Mitarbeitende oft neue Wege dazu finden.

Wie wirkt sich Real Earnings Management auf die Leistung von Mitarbeitenden aus?

Die geschilderte Problemsituation weist ein Spannungsfeld auf zwischen ManagerInnen und ihren Mitarbeitern, zwischen Zielsetzung und Zielerreichung, sowie den Einfluss von REM darauf. In ihrem Experiment gehen Markus C. Arnold, Kai Bauch und Eric W. Chan der Frage nach, wie die Möglichkeit zu REM die Leistung von Mitarbeitenden beeinflusst. Können Mitarbeitende REM betreiben, so wissen Managerinnen und Manager über diese Möglichkeit entweder Bescheid oder nicht.

Zur Untersuchung der Fragstellung nahmen 170 Studierende am Experiment teil, die nach dem Zufallsprinzip in Manager-Mitarbeiter-Paare eingeteilt wurden. Für das Experiment wurden drei Experimentgruppen definiert: 1) Mitarbeitende haben keine Möglichkeit, REM zu betreiben, 2) Teilnehmende haben die Möglichkeit, REM zu betreiben, während die Managerinnen und Manager nicht über diese Möglichkeit informiert sind, und 3) Teilnehmende haben die Möglichkeit, REM zu betreiben, und Managerinnen und Manager sind über diese Möglichkeit informiert. Es waren fünf Experimentrunden zu absolvieren. Jede Experimentrunde bestand aus zwei Perioden, in denen die Mitarbeitenden Dekodierungsaufgaben in jeweils 120 Sekunden durchzuführen hatten. Die Möglichkeit zu REM bestand darin, Zeit zwischen den beiden Perioden zu verschieben. Mitarbeitende konnten zusätzliche Zeit aus der zweiten Periode nutzen, wenn sie das Ziel in der ersten Periode noch nicht erreicht hatten, oder sie konnten Zeit in die zweite Periode verschieben, wenn sie das Ziel in der ersten Periode bereits erreicht hatten. Wie bei REM hatte dies jedoch direkte Kosten für den Mitarbeitenden und das Unternehmen, weil sich die verschobene Zeit um 20% reduziert. In der Experimentgruppe 2 wissen Managerinnen und Manager nicht, dass ihre Mitarbeitenden die Möglichkeit haben. In der Experimentgruppe 3 wissen Managerinnen und Manager von dieser Möglichkeit. Sie wissen jedoch zu keinem Zeitpunkt, ob Mitarbeitende tatsächlich diese Möglichkeit nutzen und, falls ja, wie stark.

Die Ergebnisse des Experiments

Durch das Experiment zeigt sich, dass die Möglichkeit zu REM die Leistung der Mitarbeitenden dann erhöht, wenn Managerinnen und Manager nicht über diese Möglichkeit informiert sind. Die Ursache dafür ist, dass die Möglichkeit, REM zu betreiben, die Wahrscheinlichkeit für Mitarbeitende erhöht, ihre Performanceziele zu erreichen. Dies hat einen motivierenden Effekt auf sie. Für Unternehmen kann es daher vorteilhaft sein, ein wenig REM zu akzeptieren, wenn Mitarbeitende im Gegenzug nicht «aufgeben», die ihnen gesetzten Ziele zu erreichen statt aufgrund unerreichbarer Ziele eine schlechte Performance abzuliefern. Zudem zeigt sich, dass Mitarbeitende in dieser Situation die Möglichkeit zu REM nur vorsichtig nutzen, um Managerinnen und Manager nicht argwöhnisch zu machen.

Anders verhält es sich, wenn ManagerInnen dagegen von der Möglichkeit ihrer Mitarbeitenden zu REM wissen. In diesem Fall zeigt das Experiment, dass sie die Performance ihrer Mitarbeitenden oftmals falsch einschätzen. Sie überschätzen, wie viel REM die Mitarbeitenden wirklich betreiben. Schliesslich ist es für ManagerInnen einfacher, Mitarbeitende und ihr REM für Ergebnisse verantwortlich zu machen als die Fehler in der eigenen Zielfestlegung zu suchen. Dies führt dazu, dass ManagerInnen in der Folge Leistungsziele zu aggressiv festlegen. Auf Seiten der Mitarbeitenden wirkt das demotivierend und verringert das Vertrauen in die ManagerInnen. Daraus resultiert schliesslich eine Verschlechterung der Leistung.

Fazit

Wissen Managerinnen und Manager nicht von der Möglichkeit ihrer Mitarbeitenden, REM zu betreiben, kann sich dies positiv auf die Performance von Mitarbeitenden auswirken, weil sie REM nutzen können, damit Mitarbeitende hohe Performanceziele erreichen, anstatt aufzugeben und eine geringe Leistung abzuliefern. Sind sich Managerinnen und Manager dieser Möglichkeit aber bewusst, beurteilen sie die Leistung ihrer Mitarbeitenden oftmals falsch und stellen zu hohe Anforderungen, was sich leistungssenkend auswirkt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob es für Unternehmen wirklich vorteilhaft ist, alle Möglichkeiten von Mitarbeitenden zum REM zu untersuchen oder gar zu versuchen, diese zu unterbinden. Letzteres wäre vor allem dadurch möglich, dass man die Entscheidungskompetenzen der Mitarbeitenden beschränkt, beispielsweise Rabatte geben zu dürfen. Dies  kann sich wiederum negativ auf die Leistung auswirken. So würde ein Verbot für Preisreduktionen zwar REM abschwächen, gleichzeitig könnte die Beschneidung von Entscheidungskompetenzen den Mitarbeitenden aber auch demotivieren sowie verhindern, dass deren bessere Kundeninformationen bei Angeboten genutzt werden.

Informationen zur Studie:

Arnold, Markus C., Bauch, Kai A., and Chan, Eric W., Ignorance is Bliss: Effects of Real Activities Management by Employees and the Role of Managers (May 22, 2022. Available at SSRN: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3991063)

Gewinner des IMA Best Management Accounting Paper Award at the 2022 Annual Meeting of the American Accounting Association

Loreal Jiles und Willie Choi übergeben den Award an Professor Markus Arnold.
Loreal Jiles (links) und Willie Choi, Präsident der Management Accounting Section der AAA (rechts) übergaben den Award an Professor Markus Arnold (Mitte) beim diesjährigen Annual Meeting der American Accounting Association in San Diego (01.-03. August 2022).