07.05.2024 | Forschung | Dozierende

Algorithmic Management bei der Personaleinsatzplanung

Erfahren Sie mehr über das spannende Thema Algorithmic Management in der Personaleinsatzplanung. Prof. Dr. Christian Matt und Prof. Dr. Philipp Baumann beleuchten die Chancen und Herausforderungen dieser neuen Herangehensweise und stellen ein innovatives Projekt vor, das mithilfe von KI die Fairness und Zufriedenheit von Mitarbeitenden im Schweizer Gesundheitswesen verbessern will.

Mai 2024

Text von Prof. Dr. Christian Matt und Prof. Dr. Philipp Baumann

Einleitung

Managemententscheidungen werden branchenübergreifend zunehmend von KI beeinflusst, welche auf Grundlage umfangreicher Datensätze Entscheidungsprozesse optimieren kann. Wir nennen die datenbasierte Nutzung von Algorithmen zur Unterstützung oder Übernahme von Lern- und Kontrollfunktionen, die traditionell von Manager:innen wahrgenommen werden, "Algorithmic Management". Diese Entwicklung kann viele positive Auswirkungen haben, wie z.B. die Verringerung der Arbeitsbelastung von Managern sowie objektivere Entscheidungen, die menschliche oder systembedingte Verzerrungen reduzieren. Andererseits müssen sich sowohl die Manager als auch die von den Entscheidungen betroffenen Personen stärker auf die Vorschläge oder Entscheidungen der Algorithmen verlassen. Leider ist die Art und Weise, wie diese Algorithmen Entscheidungen treffen, nicht immer transparent («Black-Box-Phänomen KI»), und auch nicht immer optimal. Häufig werden die Entscheidungen daher von Betroffenen nicht als gerecht empfunden, was zu Frustration oder im schlimmsten Fall zur Aufgabe des Arbeitsplatzes führen kann.

Algorithmic Management System
Algorithmic Management in der Personaleinsatzplanung © Universität Bern

Algorithmic Management in der Personaleinsatzplanung

Ein konkreter Anwendungsfall für Algorithmic Management ist die Personaleinsatzplanung. Schichtpläne legen fest, wann die Mitarbeitenden arbeiten, und haben somit einen erheblichen Einfluss auf die Zufriedenheit der Mitarbeitenden und ihr Sozialleben. Die Erstellung von Schichtplänen ist eine hochkomplexe Aufgabe, da viele rechtliche und betriebliche Anforderungen zu beachten sind. Darüber hinaus sollten die persönlichen Präferenzen der Mitarbeitenden berücksichtigt werden. Alleinerziehende, die ihr Berufs- und Privatleben nur schwer unter einen Hut bringen können, wünschen sich beispielsweise stabilere Arbeitszeiten, und verschiedene Mitarbeitende haben unterschiedliche Vorlieben für Nachtschichten. Die Missachtung solcher Präferenzen kann zu einer gefühlten Ungerechtigkeit führen. Obwohl bereits umfangreiche Forschungsarbeiten zur Entwicklung von Algorithmen und Entscheidungsunterstützungssystemen zur Unterstützung der Schichtplanung durchgeführt wurden, weisen die derzeit eingesetzten IT-Systeme zwei grosse Nachteile auf: Einerseits tragen sie der Fairness als zentraler, am Menschen orientierter Eigenschaft von Schichtplänen nicht ausreichend Rechnung. Andererseits haben die Mitarbeitenden keine oder nur geringe Möglichkeiten, sich am Entscheidungsprozess zu beteiligen und diesen zu verstehen.

Pflegemitarbeitende im Arbeitsalltag
Pflegemitarbeitende im Arbeitsalltag © Universität Bern

Das Projekt

Durch das im Rahmen der Digitalisierungsstrategie «Mensch in der Digitalen Transformation» der Uni Bern geförderte Projekte wollten wir diesen Zustand ändern. Wir adressieren hier explizit den akuten Personalmangel im Schweizer Gesundheitswesen, der dringend Massnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und zur Sicherung der knappen Arbeitskräfte erfordert. Unser Hauptziel in diesem Projekt ist es, eine neue Generation an Personaleinsatzplanungssystemen zu entwickeln, die die Unternehmensziele berücksichtigen und gleichzeitig von den Mitarbeitenden als fair empfunden werden, um deren Zufriedenheit zu erhöhen und Personalfluktuation zu verringern. Das Projekt umfasst die folgenden drei Projektphasen:

  1. Verstehen: Hier geht es darum zu erfassen, was bedeutet Fairness für Pflegekräfte und welche Anforderungen an Fairness gibt es?
  2. Entwickeln: Hier sollen passende Benutzerschnittstellen und Interaktionsmechanismen entwickelt und die Fairnesswahrnehmung in aktuelle Modelle integriert werden.
  3. Testen: Die entwickelten Modelle werden im Labor und in der Praxis getestet und die Nutzerzufriedenheit und die Auswirkungen auf die Gesundheitseinrichtungen werden erfasst.

 

Das Projekt stellt in dreierlei Hinsicht eine Abkehr von aktuellen Arbeiten zur Fairness in der Schichtplanung dar. Erstens, während sich die aktuelle Forschung auf objektive Fairnessmasse konzentriert, konzentrieren wir uns auf die wahrgenommene (subjektive) Fairness und darauf, wie diese die bestehenden objektiven algorithmischen Fairnessüberlegungen erweitern kann. Zweitens, anstelle nur die zugrundeliegenden Algorithmen anzupassen, konzentrieren wir uns auf die Neugestaltung des gesamten Entscheidungsprozesses und die aktive Einbeziehung der Mitarbeitenden in diesen Prozess. Drittens, anstelle objektiver Fairness lediglich in einem einzelnen Schichtplan zu erreichen, konzentrieren wir uns darauf, eine möglichst hohe wahrgenommene Fairness über mehrere Schichtpläne hinweg zu erreichen.

Prof. Dr. Philipp Baumann erklärt die Funktionsweise von Algorithmic Management
Prof. Dr. Philipp Baumann erklärt die Funktionsweise von Algorithmic Management © Universität Bern

Ziel des Projekts

Wir streben ein System an, das nicht nur objektive Fairness-Masse berücksichtigt, sondern auch die Befriedigung individueller Präferenzen abwägt. Das System ermöglicht es den Mitarbeitenden, ihre individuellen Präferenzen mit geeigneten Interaktionsmechanismen zu spezifizieren und zu gewichten. Wir entwickeln und testen nicht nur Kommunikations- und Partizipationsmechanismen im Labor, sondern planen auch die Entwicklung von Systemen, bei denen die Mitarbeitenden über eine mobile App eng in den Entscheidungsprozess eingebunden werden.

Prof. Dr. Christian Matt im Gespräch mit einem Mitarbeitenden
Prof. Dr. Christian Matt im Gespräch mit einem Mitarbeitenden © Universität Bern

Das Projektteam

Das Projektteam besteht aus Prof. Dr. Philipp Baumann, Prof. Dr. Christian Matt, Maude Bersier und Manuel Bieri und setzt auf eine enge Zusammenarbeit zwischen Operations Research und Wirtschaftsinformatik. Die Interdisziplinarität ist hier von entscheidender Bedeutung, um sowohl die zugrundeliegenden Algorithmen als auch die Systeme und Benutzeroberflächen, in denen sie implementiert werden, zu verbessern. Während des Projekts arbeiten wir mit Softwareanbietern für die Zeitschichtplanung zusammen, um die Praxisrelevanz sicherzustellen und den Erfolg der Anwendung in der Praxis zu messen. Anhand einer Reihe von einzelnen Studien werden wir in den nächsten Jahren analysieren, wie subjektive Fairnessmaßnahmen in Schichtplanungssysteme integriert werden können, und wir sind zuversichtlich, dass wir zu einem gerechteren und partizipativeren Prozess beitragen können, um die Mitarbeiterzufriedenheit zu erhöhen und Probleme des Fachkräftemangels zu verringern.

Klicken Sie hier, für einen Einblick in das Algorithmic Management in der Personaleinsatzplanung.