Was für eine Unterkunft hatten Sie im Gastland? Wie haben Sie diese erhalten?
Ich habe in einem alten, renovierten Palacio in der Altstadt Granadas gewohnt, insgesamt waren wir 17 Personen und haben uns zwei Küchen geteilt. Einige Zimmer hatten ein eigenes Bad, für die anderen gab es 2 Duschen und WC’s. Meine Mitbewohner waren eine bunte Truppe aus aller Welt, viele Musiker und Künstler, ein paar Architekten, Sprachlehrer und eine andere Studentin. Das Zimmer habe ich durch einen glücklichen Zufall gefunden. Nach einigen Tagen zermürbender Wohnungssuche habe ich in einer weiteren Wohnung ein weiteres Zimmer angeschaut. Der Vermieter war gerade noch beschäftigt, ein Zimmer einer anderen Interessierten zu zeigen, so habe ich mit dem „Ausziehenden“ etwas geplaudert. Er hat mir von diesem Haus erzählt und mich dahin mitgenommen. Es waren genau noch 2 Zimmer frei, eines davon konnte ich mieten.
Wie war die Betreuung durch die Gastuni? Gab es ein Orientierungsprogramm?
In der Woche vor Vorlesungsbeginn gab es eine Infoveranstaltung. Diese war zwar nur bedingt informativ, aber so war es möglich, schon einmal ein paar andere Erasmus-Studenten kennen zu lernen.
Die zwei Personen vom International Office waren sehr hilfsbereit. Die Öffnungszeiten sind aber eher kurz und oft musste man Schlange stehen vor dem Büro. Mehr als einmal war die Antwort auch „ich habe gerade keine Zeit, komm doch morgen noch einmal vorbei“.
Wie war der Kontakt zu einheimischen Studieren? Wie war der Kontakt zu anderen Austauschstudenten?
Zu den spanischen Studenten hatte ich keinen grossen Kontakt. Durch die ziemlich schulische Struktur des Studiums kennen sich die „Einheimischen“ wohl alle schon lange und gut. Wenn man sie aber direkt anspricht, etwas nicht verstanden hat o.ä., dann sind sie sehr hilfsbereit. Der Kontakt zu anderen Austauschstudenten ist viel einfacher, alle sitzen im gleichen Boot: ein anderes Uni-System als zu Hause, in welchem man sich zurecht finden muss, eventuell Verständnis-Schwierigkeiten, Lust, die Stadt zu entdecken, etc.
Wie sind Sie sprachlich zurecht gekommen?
Mein Spanisch war vor der Abreise eigentlich nicht schlecht, aber ich musste dann schon „in die Hosen“ – Andalusier sprechen extrem schnell und undeutlich – und sind darauf auch ein bisschen Stolz. Einer der Professoren meinte beispielsweise am Anfang des Semesters, er wisse, dass er für Auslandstudenten schwer zu verstehen sei, aber er könne und wolle das nicht ändern. Naja, und so habe ich beispielsweise einmal nicht mitbekommen, dass man eine Hausaufgabe hätte lösen müssen. Als ich ihn fragte, ob ich diese noch nachträglich abgeben kann, war sein Kommentar: „Du musst halt besser aufpassen“.
Übung macht den Meister, und wenn man sich durch die rauhe Art der Andalusier nicht entmutigen lässt, kommt man doch ganz schön weit…
Grundsätzlich ist es aber so, dass die Spanier (inkl. Professoren!) sehr schlecht oder überhaupt kein Englisch sprechen. Werden irgendwelche englische Wörter während der Vorlesung verwendet, braucht es schon viel Fantasie, diese als solche identifizieren zu können. Ich rate ein Auslandsemester in Granada keinem Spanisch-Anfänger.
Welche Kurse haben Sie an der Gastuni besucht?
Marketing Industrial y de Servicios, Marketing Social y Politico, Comunicación Comercial II.
Welche dieser Kurse würden Sie zukünftigen Erasmus-Studierenden weiterempfehlen?
Den ersten und letzten. Marketing Social y Politico war zwar sehr spannend, aber auch wahnsinnig komplex. Viele Beispiele werden anhand der spanischen Politik aufgezeigt – und von der wusste ich vor meiner Anreise ziemlich genau überhaupt nichts.
Was hat Ihnen am Studium im Gastland besser gefallen als in Bern?
Die Cafeteria…
Obwohl ich ein wunderbar geniales Semester in Spanien verbracht habe, denke ich, dass es mir studientechnisch wenig gebracht hat. Das Niveau der Vorlesungen ist generell tiefer als in Bern, das System aber viel schulischer. Ständig muss man irgendwelche Hausaufgaben lösen und abgeben, welche dann in die Schlussbewertung einfliessen. Diese Aufgaben sind meistens weder komplex noch kreativ, sondern grosse Fleissarbeiten (Texte lesen und Fragen dazu beantworten) – umso mehr, als dass Spanisch lesen und schreiben einfach deutlich länger dauert als Deutsch oder Englisch.
Kommt dazu, dass ich durch meinen Auslandaufenthalt im Frühlingssemester keine Punkte für meinen Kernbereich Marketing sammeln konnte. Nun bin ich zurück und es werden die gleichen Vorlesungen angeboten wie letztes HS – die habe ich bereits alle besucht und sie reichen nicht aus um die erforderlichen 18 ETCS zu erreichen. Dies bedeutet mit grosser Wahrscheinlichkeit, dass ich nächstes Semester noch eine Prüfung im Sommer schreiben muss, obwohl ich die Masterarbeit schon im März abgeben möchte.
Im Nachhinein muss ich feststellen, dass dieses Auslandsemester meinen Master wohl mehr als um ein Semester verlängert.
Was war im Gastland schlechter als in Bern?
In Bern ist das Studium deutlich besser organisiert, das hängt aber wahrscheinlich auch mit der Schweizer Kultur und Mentalität zusammen. So kann man beispielsweise im Computerraum in Granada nicht ausdrucken, sondern muss die Dokumente auf einen Memory Stick speichern, hinüber in die „Fotocopiadora“ gehen (im gleichen Gebäude…), dort seinen Memory Stick einstecken und ausdrucken. Die Kopierer und Drucker funktionieren nicht mit einer Kopierkarte sondern werden bedient. Für jeden Ausdruck muss man wieder in einer Schlange anstehen und nach den Dokumenten fragen. Zudem ist die Fotocopiadora während der Siesta von 14-16h geschlossen.
Für einfachste Dinge braucht man viel Geduld – es ist alles etwas „anders“ als zu Hause. Diese Erfahrung macht aber einen Auslandaufenthalt so wertvoll. Man lernt, über seinen Tellerrand hinauszuschauen.
Was war das „Highlight“ Ihres Auslandsaufenthalts?
Der Auslandaufenthalt an sich war ein grosses Highlight. Es war schon immer ein Traum von mir, ein paar Monate in Spanien zu leben – und es geht nicht unkomplizierter als im Rahmen eines Erasmus-Semesters.
Durch meine spezielle Wohnsituation habe ich eine Menge spannender Leute getroffen, aber auch über mein Hobby, das Klettern. Ich habe fast sämtliche Wochenenden irgendwo am Fels verbracht, zusammen mit anderen Austauschstudenten aus aller Welt. Dadurch habe ich auch die Dörfer rund um Granada etwas kennengelernt, und die Freundlichkeit der Dorfbevölkerung.
Natürlich konnte ich auch sprachlich sehr profitieren. Während dieses Semesters habe ich ca. 15 Papers, 3 Abschlussarbeiten (inkl 3 PowerPointPräsentationen) sowie 3 Prüfungen auf Spansich geschrieben/ gehalten. Ich habe mich mehr als einmal gefragt, wieso ich das eigentlich freiwillig mache, zu Hause wäre alles so viel einfacher gewesen – im Nachhinein bin ich ein bisschen stolz, dass ich das alles auf die Reihe bekommen habe.
Welches war die grösste Enttäuschung während Ihres Studiums im Ausland?
Das Niveau der Vorlesungen. Einerseits war ich froh, fast den ganzen Stoff schon in irgendeiner Form in Bern gehört zu haben (es blieb noch genug Arbeit mit der Sprache), andererseits sind Fleissarbeiten nicht sonderlich befriedigend. Eines der vielen Papers mussten wir handgeschrieben abgeben. Fälschlicherweise hatte ich verstanden, man kann es handgeschrieben abgeben und so habe ich das Dokument in Word verfasst und an die Professorin geschickt. Obwohl sie die Arbeit als „sehr gut“ bewertet hatte, erhielt ich den Punkt erst, nachdem ich das ganze Paper (15 Seiten!) von Hand abgeschrieben und ihr persönlich abgegeben hatte.
Welche Tipps und Ratschläge haben Sie für Erasmus-Studierende, die zukünftig an Ihrer Gastuni studieren wollen?
Immer schön Ruhe bewahren wenn am Anfang nicht alles so klappt, wie man es sich gewöhnt ist!
Studierende der Universität Bern, die Rückfragen zu diesem Erfahrungsbericht haben, können beim Erasmus-Fachkoordinator des Departements BWL die E-Mail-Adresse der Autorin bzw. des Autors erfragen.